Hammer oder Spritze?

Der alltägliche Wahnsinn

Noch so was: Der Sellick-Handgriff

Noch so eine Sache, die in allen Lehrbüchern steht, immer beigebracht wird, die aber nie hinterfragt wird.

Der Sellick-Handgriff oder auch Krikoiddruck.

Beschrieben 1961 von Brian Arthur Sellick, aber schon 1774 in Großbritannien erwähnt und soll der Verhinderung von Aspirationen bei nicht nüchternen Patienten dienen.

Klingt auch logisch: Mit dem Ringknorpel die Speiseröhre komprimieren und sie so quasi verschliessen.

Aber jetzt kommts: STIMMT das überhaupt?

Tja. Und da muß man sagen: Irgendwie nicht so richtig. Wenn man da mal die Literatur durchforstet findet man ausser Sellicks Idee eigentlich keine harten Daten dazu, keine Studien, nichts.

Steinmann und Priebe haben sich im Anästhesist 2009 damit auseinander gesetzt.

Jeder der schon mal unter Krikoiddruck intubiert hat weiß, daß es damit deutlich schwerer wird. Der Kehlkopf wird verschoben (was man sich ja beim BURP-Manöver auch zu Nutze machen kann), oft auch noch zusammengedrückt und die Intubation (die ja in den Fällen, i.e. bei nicht nüchternem Patienten schnell gehen soll) damit erschwert. Zusätzlich sind auch Kehlkopfschäden möglich durch den komprimierten Kehlkopf. Auch das logisch: Wenn ich die Stimmbänder (die ich ja eigentlich relaxiert und offen habe) wieder zusammendrücke und den Tubus dazwischen durch friemeln muß, wird das den empfindlichen Stimmbändern nicht gefallen.

Die europäischen Richtlinien zur Reanimation von 2005 erwähnen ihn nur noch nebenher und empfahlen ein Loslassen nachdem der Tubus ist, wo er hingehört.

Im Fazit muß man also wohl sagen, daß bei einem völligen Mangel an Belegen für einen Nutzen aber eindeutigen negativen Punkten der Sellick-Handgriff – so logisch er schien – wohl in die Kategorie „Sagen unserer Zeit“ gehört und damit wohl nicht mehr angewendet werden sollte (Alle anderen Maßnahmen für eine RSI oder Ileus-Einleitung – Absaugung, Oberkörperhochlage etc. – bleiben unbenommen).

Anders natürlich das oben erwähnte BURP-Manöver, daß einem ganz anderen Zweck dient (nämlich Erleichterung einer schwierigen Intubation).

Wie man sieht, nicht alles, was wir so machen in der Medizin und im Rettungsdienst ist in Stein gemeißelt und da die moderne Medizin als jüngste der Wissenschaften immer im Wandel ist kommt man nicht darum herum auf dem laufenden zu bleiben und früher oder später alles zu hinterfragen.

(Quelle)

23. Oktober 2011 Posted by | Daily Buisness, Notarzt | , , , , | 1 Kommentar