Hammer oder Spritze?

Der alltägliche Wahnsinn

Schnittstellen des Rettungsdienstes

Ich habe mich ja an einer Stelle schon mal über die eine Schnittstelle ausgelassen. Wo der Rettungsdienst der „Empfänger“ ist: Der Empfänger des Patienten. Gut, da fühlte sich gleich einer auf den Schlips getreten. So im Nachhinein würde ich mal sagen: Trocknertheorie.

Egal. Das ist natürlich nicht die einzige „Eingangsschnittstelle“ für den Rettungsdienst und den Notarzt. Gibt ja noch mehr abstruse Geschichten, wo wir so unsere Patienten herbekommen. Dazu an andere Stelle vielleicht mehr.

Aber so sehr wir uns auch um unsere Patienten kümmern, wir behalten sie ja nicht ewig. Wenn wir sie nicht gerade zu Hause lassen (Klassiker: Hypoglykämie bei bekanntem insulinpflichtigem Diabetes mellitus), landen sie fast immer im Krankenhaus.

Und da sind wir dann bei der nächsten Schnittstelle: Der Notaufnahme. Jedenfalls meistens.

Normalerweise läuft da recht gut. Mit den üblichen Haken und Ösen. Denn oft ist erstmal kein ärztlicher Kollege da und muß erst gerufen werden. Macht ja nix, ist ja ok so, vor Allem nachts. Dann gibts einen kurzen Abriß für die diensthabenden Schwestern und Pfleger. Die sollten meiner Meinung nach ja auch wissen, was ich denen da vor die Tür lege…

Am Tage sind öfters auch Ärzte in den Ambulanzen. Wie gesagt: Das soll keine Kritik sein. In den meisten kleinen Häusern ist ja nicht ein Arzt permanent in der Ambulanz, sondern hat im Haus auch noch anderes zu tun.

Dann ist das Problem allerdings, den Richtigen zu finden. Bei glasklaren Fällen ist das kein Thema… aber es passiert mir auch immer mal wieder, daß ich mein Sprüchlein beginne aufzusagen und dann aber zum Chirurgen weiter verwiesen werden. Oder zum Neurologen. Oder welche Fachrichtung auch immer. Was lustigerweise auch wechselt, je nach Tageszeit. In manchen Häusern gibt es am Tage einen Neurologen (für die TIAs, Schlaganfälle und Konsortien), nachts machen das aber die Internisten mit. Und wenn man nicht immer die genaue Uhrzeit auf dem Schirm hat und auch nicht so genau die Wechselzeiten kennt, kann es schon mal passieren, daß man sein Gedicht dem Falschen aufsagt.

Je nachdem, was denn der Patient hat, macht es trotz der verschiedenen Systeme durchaus Sinn zusätzlich auch selbst noch mal einfach dort anzurufen. Schlicht um das „Stille-Post“-Phänomen zu minimieren: Ich sags dem Rettungsassistenten (-Sanitäter, bzw. Notfallsanitäter), der sagts der Leitstelle, die sagts dann der Pflegekraft, die in der Ambulanz gerade ans Telefon geht („Schülerin Bettina, Ambulanz Krankenhaus Trallala, guten Abend“), die sagts dann irgendjemand in der Ambulanz, die sagts dem Arzt… was dazwischen aus Diagnosen alles werden kann, ist wirklich witzig.

Oh, wieder keine Kritik gemeint. Aber was durch soviel Köpfe durchgeht, verändert sich einfach.

Wenn ich also den für Blinde sichtbaren Hebungsinfarkt habe (also nicht ich sondern der Patient), macht es Sinn, mindestens noch mal selbst in der Ambulanz oder noch besser, gleich im Herzkatheder anzurufen („Glüht die Kiste schon mal vor“). Oder beim Apoplex im Zeitfenster gleich den Neurologen zu nerven.

Wenn ich in der Ambulanz bestimmte Dinge brauche, macht es auch Sinn, das direkt zu machen.

Wenn ich also einen instabilen Patienten auf der Trage habe, dann ists meiner Erfahrung nach keine blöde Idee, selber anzurufen und den/einen Schockraum klar zu machen. Sonst kann es passieren, daß man da steht und mit dem Patienten nirgends hin kann.

Selbst wenn es ein lustiges System gibt, daß diese Information auf einen Bildschirm projiziert.

Den meiner Erfahrung nach ohnehin oftmals keiner beachtet. Egal, was man anmeldet. Manchmal  ist dieser Bildschirm auch so in einer Ecke untergebracht, daß man – selbst wenn man vom Personal her darauf achten würde – ihn gar nicht im Blick hat.

 

Aber da ist jetzt das Problem: Denn manchmal geht das nicht. Manchmal kann man nicht anrufen.

Der Motorradfahrer, der zwei Straßen vom Krankenhaus entfernt in ein Auto kracht.

Wenn man entsprechend ITLS/ATLS handelt (Kurzfassung: Mach hinne! Draussen nur, was absolut notwendig ist – Stichwort: Lebensrettende Sofortmaßnahmen – alles andere später. Da fällt der venöse Zugang schon unter „geht auf der Fahrt“), dann ist man am Unfallort schnell wieder weg und drei Minuten später auch schon in der Ambulanz. Und – wie das immer so ist – hat die orientierende Grobuntersuchung beim Einfahren in die Fahrzeughalle gerade mal so eben fertig.

Natürlich wäre es wünschenswert, irgendwo die Zeit zu finden, doch mal der Ambulanz Bescheid zu geben.

Dummerweise ist dieses System Notarzt->Rettungsassistent->Leitstelle->Monitor in der Ambulanz langsamer als die drei Minuten Anfahrt. (Fakt: Fünf Minuten nach Ankunft in der Notaufnahme kam die Meldung auf dem Monitor…)

Mit dem Resultat, daß man da steht, erstmal Hektik ausbricht weil ich frecherweise einen Schockraum will, der aber belegt ist und das Gefühl hat, dem diensthabenden Chirurgen erstmal zu erklären, was eigentlich Sache ist. Wenn man dann noch an einen von der Sorte gerät hat man Spaß.

Wenn man dann noch von irgendeiner Seite den Kommentar bekommt „nächstes Mal anrufen“ möchte man sich eine Tischplatte suchen, in die man beissen kann.

Ich sehe das Problem.

Und bin dann wieder bei meiner Philosophie, daß der Praktikant an Allem Schuld ist.

Irgendeinen Praktikanten gibts immer. Und der kann eh nix dafür, aber die Schuldfrage ist geklärt.

Und man kann sich um die Lösung des Problems kümmern.

Fünf Mal sagen „ihr habt nicht angerufen“ ist kontraproduktiv, verschwendete Zeit und löst in keinster Weise das Problem: Nämlich den Traumapatienten durch die Diagnostikmühle zu drehen und entsprechend zu handeln.

 

 

Um das klarzustellen: Wenn ich die Zeit habe, rufe ich auch an.

Und um das auch zu sagen: Die betroffene Ambulanz hat dann schon geschaltet. Ziemlich schnell war das entsprechende Schockraumteam da. Zeitverlust war gefühlt keiner.

Und gerade in so einem Fall, wo ich bestenfalls vor der Notaufnahme eine Minute hätte warten können um anzurufen, warte ich doch lieber die Minute im Schockraum mit mehr Platz und mehr Personal.

Das soll also keine Kritik an dieser Notaufnahme sein. Denn die war – wenn man mal vom mehrfachen „warum hast du nicht angerufen“ absieht – schnell und kompetent.

 

 

P.S.: Wen es interessiert: Der Moppedfahrer hatte Dusel. Nicht unverletzt, aber auch nichts Dramatisches.

 

 

 

12. April 2016 Posted by | Daily Buisness, Klinik, Notarzt | , , , , | Hinterlasse einen Kommentar